Was ist Graue Energie?
Erneuerbare Energien kennt mittlerweile jeder unter der Bezeichnung „Grüne Energie“. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff „Graue Energie“? Und warum ist genau diese für mehr Nachhaltigkeit im Bauwesen wichtig?
Als graue Energie wird die Summe der Energie bezeichnet, die für die Herstellung eines Produkts benötigt wird. Im Falle von Immobilien also für die Errichtung eines Gebäudes. In diese Energiesumme fließen dabei zahlreiche Teilbereiche ein: das Gewinnen von Baumaterialien, das Herstellen und Verarbeiten von Bauteilen, der Transport, die Verpackung sowie deren Entsorgung. Sie umfasst also den benötigten Energieaufwand über den gesamten Lebenszyklus.
Was ist mit der grauen Energie alles gemeint?
- Gewinnung der Primärquellen, die zum Bau benötigt werde
- Verarbeitung der Rohstoffe zu Baustoffen
- Transport
- Errichtung des Gebäudes
- Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen
- Umnutzung oder Abriss und Entsorgung der Bausubstanz
Graue Energie: Warum ist neu Bauen nicht immer energieeffizienter?
Altbauten stehen oft im Zusammenhang mit schlechter Energieeffizienz. Sie besitzen, im Vergleich zu Neubauten, eine veraltete Bauweise, sind schlechter isoliert und werden deshalb häufig als klimaunfreundlicher angesehen. Wird allerdings nicht nur die Energieeffizienz des fertiggestellten Hauses, sondern die gesamte Klimabilanz über die Lebensdauer einer Immobilie berücksichtigt, fällt die Bewertung oft anders aus, da die graue Energie einen entscheidenden Einfluss hat. Die Nutzung, Umnutzung oder Sanierung eines bestehenden Gebäudes erweist sich in vielen Fällen als nachhaltiger als ein neues Haus aus neuen Rohstoffen zu bauen. Hinzu kommt, dass bei einem Abriss eines alten Gebäudes Abfallstoffe entstehen, die ordnungsgemäß zu entsorgen sind. Die durch den klimaeffizienteren Bau gesparten Ressourcen können die hohe graue Energie eines Neubaus oft nicht ausgleichen.
Moderne Passivhäuser minimieren Energieverluste durch effektive Wärmedämmung. Hierbei kann über eine lange Nutzungsdauer die graue Energie, die zur Errichtung benötigt wurde, ausgeglichen werden, wenn die Immobilie mit einem ungünstig gedämmten Bestandshaus verglichen wird. Letzten Endes ist für eine ganzheitliche Beurteilung der Klimabilanz einer Immobilie immer eine Lebenszyklusanalyse erforderlich.
Ansätze zur Reduktion der grauen Energie
Der Verbrauch von grauer Energie lässt sich kaum vermeiden, sehr wohl aber reduzieren. Hier lohnt es sich, die gesamte Lieferkette anzuschauen und verschiedene Hebel anzusetzen. So kann zum Beispiel im Bereich Bauteilherstellung auf nachhaltige, regional verfügbare Rohmaterialien geachtet werden. Viele Rohmaterialien werden in der globalisierten Welt importiert, weil sie sich an anderen Orten günstiger und einfacher herstellen lassen. Der Faktor Transport zum Beispiel, sicherlich ein gewichtiger Faktor für den Ausstoß von Emissionen, ist deshalb ein wichtiger Hebel für die Reduktion des Energiebedarfs von Gebäuden. Schließlich ist gerade die Verwendung von synthetischen Baumaterialien, die von weit her kommen, ein echter Energiefresser. Regionalität sollte auch bei der Auftragsvergabe an Baufirmen eine Rolle spielen, um Energie und Emissionen einzusparen.
Nimmt man beispielsweise alle Phasen eines Hausbaus genauer unter die Lupe, fällt auf, dass die meiste Energie während des Rohbaus aufgewendet wird. Nicht verwunderlich - ist hier doch der größte Material-, Maschinen- und Personaleinsatz nötig. So könnte die Vergabe von Aufträgen an lokale Bauunternehmen ebenso Emissionen reduzieren wie die Nutzung von regional verfügbaren Rohmaterialien. Dass für Gebäude immer mehr „Graue Energie“ notwendig ist, liegt nämlich zum Teil auch daran, dass immer mehr synthetische Materialien im Bau verwendet werden, die zudem häufig über weite Strecken transportiert werden müssen.
Graue Energie gering halten – so geht’s:
- Gesamte Lieferkette der Baustoffe berücksichtigen
- Lokal verfügbare und nachhaltige Rohstoffe verwenden
- Energieeffizienz über die gesamte Nutzungsdauer der Immobilie bewerten
Nachhaltigkeit lohnt sich
Wer sein Haus energiebewusst baut und betreibt, schont nicht nur die Umwelt, sondern auch seinen Geldbeutel. Denn Nachhaltigkeit wird gefördert, zum Beispiel durch zahlreiche Programme der staatlichen Bauförderung, wie der BAFA-Förderung oder der BEG-Förderung. Auch der Blick auf die Heizkosten fällt in einem energieeffizient gebauten Haus viel entspannter aus.
Hausbesitzer und solche, die es werden wollen, sollten sich also schon vor ihrem Projekt auch einmal mit der „Grauen Energie“ auseinandersetzen und prüfen, ob sich schon am Beginn der Lieferkette Einsparmöglichkeiten ergeben. Denn wenn die Energiekosten sinken, freut das nicht nur die Umwelt, sondern in der Regel auf lange Sicht auch den Geldbeutel.
Die Zukunft im Bauwesen? – Graue Energie und Cradle to Cradle
Beim Cradle-to-Cradle-Ansatz (C2C) geht es darum, Materialienund daraus entstehende Produkte so zu gestalten und herzustellen, dass sie nach ihrer Nutzung in den biologischen Kreislauf zurückkehren können oder dass sie vollständig und unendlich wieder recycelt werden können. Statt Materialien klassisch linear zu verwenden, sieht der Cradle-to-Cradle Ansatz einen Kreislauf vor.
Der nachhaltige Ansatz bietet viel Potenzial für die Baubranche. Viele Baustoffe bestehen heute aus Materialverbindungen, die sich bisher nicht gut recyceln lassen. Der große Baustoffbedarf und Energieaufwand im Hausbau weist auf ein großes Optimierungspotenzial hin. Ein naheliegendes Material für den nachhaltigen Hausbau ist selbstverständlich Holz, allerdings lassen sich auch Baustoffe wie Stahl oder Beton mittels moderner Verfahren recyceln. Bei der Planung einer Immobilie kann Nachhaltigkeit nicht nur bei der Auswahl der verwendeten Baumaterialien berücksichtigt werden – auch in Bezug auf den Ressourcen- und Energieverbrauch sollten klassische Verfahren überdacht und optimiert werden. Wichtige Themen hierbei sind eine energieeffiziente Dämmung oder ein ressourcensparendes Wassermanagement für eine bessere Ökobilanz.