„Zur Förderung des Neubaus muss ein Teil des Kuchens an Bauwillige zurückgegeben werden.“
Benjamin Papo, Geschäftsführer des Immobilienfinanzierungsvermittlers Hüttig & Rompf, zu den Aussichten der Wohnimmobilienbranche, den aktuellen Präferenzen potenzieller Immobilienkäufer sowie der Bringschuld von Politik und Behörden.
Herr Papo, das Volumen der Baufinanzierungen ist nach starkem Rückgang in den zurückliegenden Jahren zuletzt wieder angestiegen. Woran liegt das?
Benjamin Papo: Im zweiten Quartal hat das Volumen der Baufinanzierungen im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um ca. 20% zugenommen. Der Markt erholt sich. Hierfür verantwortlich sind vor allem zwei Treiber: Zum einen ist das die steigende Anzahl an Transaktionen, also tatsächlich die Nachfrage der Konsumenten. Dieser Faktor macht mit 16 bis 17% den Löwenanteil aus. Der zweite Punkt ist das gestiegene Durchschnittsvolumen je Finanzierung, was vor allem mit den leicht gesunkenen Zinsen zusammenhängt. Für das gleiche Geld kann ich mir jetzt mehr Kredit leisten.
Wie wird sich die Zinssituation weiterentwickeln?
Papo: Die EZB hat die Leitzinsen im Juni um 25 Basispunkte gesenkt. Für die Baufinanzierung war dieser Effekt überschaubar, da dieser Schritt einerseits schon eingepreist war und Bauzinsen sich ohnehin an den langfristigen Zinsen und nicht an den kurzfristigen Leitzinsen orientieren. Viele Experten gehen von ein bis zwei weiteren Zinssenkungen in diesem Jahr aus. Wir rechnen eher mit einer. Das wären weitere 25 Basispunkte. Auch hier wird der Effekt auf die Bauzinsen überschaubar bleiben. Wir müssen uns also darauf einstellen, dass das aktuelle Niveau von etwa 3,5% auf die kommenden 12 bis 18 Monate Bestand haben wird. Anders ausgedrückt: Eine Niedrigzinsphase wie in den letzten Jahren wird es nicht geben, langfristig sind 3 bis 3,5% aber ein Niveau, mit dem sich durchaus arbeiten lässt.
Die Stimmung in der Immobilienbranche hat sich also wieder etwas gebessert oder herrscht nach wie vor eine hohe Depression?
Papo: Die Rahmenbedingungen sind immer noch herausfordernd. Dennoch lässt sich die Stimmung durchaus als erhellend bezeichnen. Sieht man es von den finanzierenden Kunden aus, gehen die Transaktionen nach oben und die Nachfrage kommt zurück. Zwei Faktoren, die hier positiven Einfluss haben, sind insbesondere die rückkehrende Sicherheit und die sich stabilisierenden Immobilienpreise. Noch entscheidender sind aber die rasant steigenden Mieten, durch die sich die Mietkosten den monatlichen Finanzierungskosten wieder angleichen. Das ist ein positiver Treiber, weswegen ich eher dazu raten würde, jetzt zu handeln, wenn ich die passende Immobilie gefunden habe, statt noch weiter abzuwarten.
Sollten in diesem Umfeld Neubauten oder gebrauchte Immobilien den Vorrang erhalten?
Papo: Das kommt natürlich immer auf die konkrete Situation und die zur Auswahl stehenden Objekte an. Ältere Bestandsimmobilien liegen in der Gunst der Käufer aktuell aber eindeutig vorne.
Woran liegt das? Schließlich ist mit dem Kauf einer älteren Wohnung oder eines älteren Hauses ja immer auch ein gewisses Risiko verbunden. Die Kosten einer Sanierung sind nur schwer abzuschätzen, die Förderung mit gewissen Unsicherheiten behaftet, usw.?
Papo: Diese Aspekte sind in jedem Fall zu berücksichtigen. Eine Sanierung ist ein wirkliches Unterfangen. Die Herausforderung ist andererseits das mangelnde Angebot an Neubauten. Wir wissen, die Bundesregierung wollte im laufenden Jahr 400.000 Wohnungen bauen. Entstehen werden aber nur 200.000-300.000 Wohnungen. Nicht besser wird es in den kommenden Jahren aussehen. Auch dann wird die Regierung ihre Neubauziele deutlich verfehlen.
Wie schlägt sich diese Entwicklung in der Stimmung der Immobilienbranche nieder?
Papo: Wie haben einen eigenen Index, mit dem wir monatlich die Stimmung bei 3.000 Marktteilnehmern abfragen. Dieser zeigt eine klare Zweiteilung an. Fast alle im Bestandsgeschäft tätigen sind positiv gestimmt – mit weiter steigender Tendenz. Das Gegenteil ist der Fall bei den Teilnehmern im Neubaugeschäft, die aufgrund der fehlenden Förderung und Unterstützung durch die Politik eher pessimistisch gestimmt sind.
Was muss an dieser Stelle geschehen? Welche Maßnahmen muss die Politik unbedingt ergreifen?
Papo: Damit Neubauten entstehen, muss auf der Angebotsseite dringend nachgebessert werden. Es braucht einen Art „Corona-Hilfe“ für den Bau, wobei die gesamte Wertschöpfungskette durchgegangen werden sollte. Angefangen vom Bauland, über die Baukosten, die Genehmigungszeiten bis hin zu den Nebenerwerbskosten, der Regulatorik und der Förderung der Finanzierungskosten muss alles auf den Prüfstand. Hier gibt es einzelne Maßnahmen auf Länderebene, ein bundesweiter Weg mit einer abgestimmten Förderung fehlt aber. Hieran sollten wir arbeiten. Die Niedrigzinsphase hat für einen Boom-Markt und eine hohe Leistungsfähigkeit gesorgt. Regierung und staatliche Institutionen haben in dieser Zeit ihr gutes Stück vom Kuchen abbekommen. Hiervon sollte jetzt ein Teil – auch als Schritt hin zu einer verlässlichen Altersversorgung – an die bauwillige Bevölkerung zurückgegeben werden. Das würde auch den Mietmarkt entlasten.
Also breite Unterstützung und möglichst einheitliche Regelungen. Wie schnell kann so etwas geschehen?
Papo: Das wird nicht alles sofort und auf einen Schlag möglich sein. Bei den Corona-Hilfen war aber zu sehen, wie schnell dringend erforderliche Maßnahmen umzusetzen sind, wenn der Wille dazu besteht. Das fängt bei den Grunderwerbssteuern an, die enorm erhöht worden sind. Die können sehr einfach wieder reduziert werden. Es kann aber auch bei den Genehmigungen sein. Der Gesetzesentwurf für Gebäudetyp E liegt vor. Der könnte jetzt auch entschieden werden. Das würde beides die Baukosten reduzieren und damit helfen, die Leistbarkeit der Bürger auch wieder zu erhöhen. Dem Mietmarkt würde dies ebenfalls zu Gute kommen.