24. Januar 2022 Allgemeines Benjamin Papo

Wohnungsmangel in Deutschland – wie gegensteuern?

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Deutschland ist ein zentrales Problem. Seit Jahren weisen Experten darauf hin, dass zu wenig gebaut wird – insbesondere in Großstädten. Die Folgen spüren viele im Geldbeutel: Mieten und Immobilienpreise steigen unaufhaltsam. Eine aktuelle Studie zeigt jetzt auf, wie man den Wohnungsmangel lindern könnte.

Wohnungsmangel – wie viele Wohnungen braucht der Wohnungsmarkt? 
Bisherige Schätzungen gingen davon aus, dass jährlich 350.000 bis 400.000 Wohnungen gebaut werden müssten, um den Wohnungsmangel in Deutschland zu beenden. Das Institut der Deutschen Wirtschaft IW sieht in seiner Prognose von Ende 2021 nur noch einen jährlichen Bedarf von rund 308.000 neuen Wohnungen. Diese Reduzierung sei insbesondere dem nachlassenden Zuzug nach Deutschland geschuldet: Im Jahr 2020 lag der Wanderungssaldo für Deutschland (Zuwanderer minus Abwanderer) bei nur noch rund 220.000 Personen, nachdem er in den Jahren zuvor meist bei rund 300.000 bis 400.000 Personen lag. Der Wohnungsmarkt könnte sich also in Zukunft etwas entspannen und der Wohnungsmangel leicht nachlassen. 

Wohnungsmangel – warum hängt der Wohnungsbau so hinterher? 
Betrachtet man den Wohnungsbau im Jahr 2020, sehen die Zahlen eigentlich sehr positiv aus: Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen in Deutschland stieg von 2019 zu 2020 um 4,6 Prozent auf rund 306.000. Damit wurden im Wohnungsbau so viele Wohnungen realisiert wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Trotzdem reicht diese Zahl nicht aus, um den Wohnungsmangel zu beseitigen. Doch woran liegt es, dass der Wohnraumbedarf nicht gestillt werden kann?  

1. Experten sehen zum einen fehlende Kapazitäten bei den Baufirmen dank des anhaltenden Immobilienbooms.  
2. Auch knapper werdende Baumaterialien sind ein Hindernis.  
3. Lange Zeiträume bis zur Erteilung einer Baugenehmigung und ein fehlender Masterplan für den Wohnungsmangel sind zudem Faktoren, die der Politik oft vorgeworfen werden. 

Drei Maßnahmen gegen den Wohnungsmangel in Großstädten 
Der Wohnraummangel ist besonders in Großstädten und Ballungsräumen problematisch – hier gibt es nicht genügend Bauflächen, um den Wohnraumbedarf schnell decken zu können. Die Experten des IW sehen in diesen drei recht einfachen Maßnahmen wirksame Mittel für den Wohnungsbau, um den Wohnungsmangel in Großstädten angehen zu können: 

  • Bisher noch unbenutzte ausgewiesene Bauflächen endlich bebauen 
  • Flächen nachverdichten – z. B. Gebäude aufstocken oder Brachflächen nutzen 
  • Neubaugebiete am Stadtrand erschließen 

Sozialer Wohnungsbau auch auf dem Land? 
Sozialer Wohnungsbau bzw. sozial gebundene Mietwohnungen können auf dem Land einen guten Puffer schaffen, um den Zuzug in die Städte zu verringern. Damit ländliche Gebiete in Zeiten von Home Office und New Work aber tatsächlich zur Alternative zum Leben in der Stadt werden können, müssen sie besser erschlossen werden. Hier sehen die IW-Ökonomen insbesondere beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Digitalisierung noch großen Nachholbedarf, um gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land zu schaffen. Sozialer Wohnungsbau alleine wird hier also nicht ausreichen. 

Wohnungsbau auf dem Land: Umbauen statt neu bauen. 
Besonders im Osten Deutschlands gibt es in ländlichen Gebieten oftmals zu viele Wohnungen. Hier sorgte die Abwanderung für Leerstand. Trotzdem werden hier Neubaugebiete ausgewiesen, denn die alten, bestehenden Wohnungen entsprechen nicht mehr den aktuellen Standards. Diese Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt zur Bekämpfung des Wohnungsmangels sieht das IW skeptisch. Stattdessen wird eher der Umbau statt des Neubaus empfohlen, und zwar aus folgenden Gründen: 

  • Umbauten entziehen der Landschaft und der Natur keine zusätzlichen Flächen 
  • Vermeidung des „Donut-Effekts“: Neubaugebiete entstehen meist am Ortsrand und höhlen den Ortskern aus 

Wohnungsmangel auch ein politisches Thema 
Die neue Bundesregierung nimmt sich dem Wohnungsmangel scheinbar verstärkt an und schafft ein Bauministerium. Dieser Schritt wurde von vielen aus der Immobilienwirtschaft und aus dem Wohnungsbau begrüßt. Damit werden zwar Bauvorschriften nicht weniger und Bauzeiten nicht kürzer, aber das Bauen und Wohnen bekommt einen angemessenen Platz in der Bundespolitik. Auch die neue Koalition gibt als Ziel den Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnungen aus – davon sollen 100.000 öffentlich gefördert werden. Insgesamt könnte das ja schon einmal ein guter Anfang zur Entspannung des Wohnungsmarkts sein. 

Inwiefern der vorläufige Stopp der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), der am 24. Januar 2022 in Kraft getreten ist, diesem Ziel im Wege steht, wird sich zeigen.

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