9. September 2020 Benjamin Papo

Gegen den Einheitsbrei

Baustile werden kopiert, gesichtslose Wohnhäuser massenhaft hochgezogen und Altbauten ohne Liebe und Sachverstand saniert – im Städtebau herrscht oftmals Ideenlosigkeit. Die Folgen sind gravierend: Der urbane Raum verliert an Charakter sowie an Wohn- und Lebensqualität. Die Bundesstiftung Baukultur und das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) haben deshalb einen Kodex zur Diskussion gestellt, der der Uniformität in Städten entgegenwirken soll. Hier lesen Sie die Einzelheiten.

Mit ihrem Kodex für Baukultur richten sich die Bundesstiftung Baukultur und das ICG an Projektentwickler, Planer, Bauherren und Eigentümer. Sie erhoffen sich, dass der Neun-Punkte-Katalog eine fruchtbare Diskussion startet und zu mehr Sensibilität führt – in den Augen der Experten trägt die Immobilienwirtschaft in besonderem Maße Verantwortung für die Gestaltung von Lebensräumen. Im Folgenden stellen wir Ihnen den Kodex-Entwurf in einer leicht gekürzten Fassung vor. Die vollständige Version finden Sie unter diesem Link.

Ganzheitliches Handeln: Die Unternehmen streben neben ökologischer Verträglichkeit, wirtschaftlicher Machbarkeit und sozialer Verankerung oder Ausgewogenheit auch eine hohe räumliche und gestalterische Qualität von Bauwerk und Umfeld an.
Umsichtige Projektentwicklung: Die Unternehmen verpflichten sich, bei Neubau und Bestandsentwicklung mit Rücksicht auf die Gegebenheiten des Ortes vorzugehen. Im Prozess werden die oben genannten fünf Regeln gegeneinander abgewogen. Eine kreative Auseinandersetzung mit vorhandener Bausubstanz, Gestalt und Kultur führt zu anspruchsvollen und das Stadtbild bereichernden Ergebnissen.
Wertschätzung historischer Bestände: Der Werterhalt vorhandener schützenswerter Baukultur (Zeit- und Kulturzeugen) steht für die Unternehmen bei Sanierung, Um- und Neubau im Vordergrund. Das bauliche und kulturelle Erbe wird gepflegt, erhalten und wo möglich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Umnutzung, Umbau und Neubau: Innenentwicklung und Umnutzung sind die zu bevorzugenden Instrumente. Bestehende Baurechte und Bausubstanz sollen ausgeschöpft werden. Umbau oder Neubauten zielen auf maximale Lebensdauer mit hoher architektonischer und gestalterischer Qualität.
Ressourcenschonendes Bauen und Betreiben: Die Unternehmen vermeiden negative Eingriffe in die Umwelt und bringen sich zur Erreichung der Klimaziele aktiv ein. Bei der Planung wird auf maximale Ökoeffizienz geachtet – das gilt für Flächennutzung, den Einsatz regenerativer Rohstoffe und recycelbarer Baustoffe und Systeme zur Reduktion des Energieverbrauches und von Emissionen.
Quartiersbezug und Mischung: Sozial und funktional gemischte Quartiere schaffen Raum für öffentliche Begegnung und ein lebendiges soziales Miteinander. Themen wie lokales Klima, Ressourcen, Umwelt, Verkehr und soziales Nebeneinander sind ganzheitlich zu betrachten. Die Unternehmen übernehmen Verantwortung für die Herstellung und Unterhaltung der öffentlichen Räume.
Phasen des Immobilienzyklus: Die Projektentwicklungsphase und die Betriebsphase sind von entscheidender Bedeutung für den gesellschaftlichen Nutzen oder potenziellen Schaden (zum Beispiel Emissionen) von Maßnahmen. Die Unternehmen nehmen hier Verantwortung wahr, indem sie baukulturell hochwertige Gebäude schaffen und / oder dauerhaft unterhalten.
Gestaltungswettbewerbe und Prozesskultur: Die Unternehmen sind offen für qualitätssichernde Planungsverfahren. Städtebau- und Architekturwettbewerbe sind unternehmerisch sinnvoll und gesellschaftlich akzeptiert. Der Diskurs, genauso wie Wettbewerbe, sind als fester Bestandteil der Prozesskultur zu pflegen.
Offenheit und Kooperation: Voraussetzung für baukulturell hochwertige Lösungen ist eine für fachliche Argumente offene und lösungsorientierte Zusammenarbeit und eine Kommunikation und Beteiligung auf Augenhöhe zwischen allen Bürgern, Betroffenen und Nutzern und sonstigen Beteiligten eines Projektes.

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