Die Wohnungsnot wird zur Wachstumsbremse

Die kontinuierlich zunehmende Wohnungsknappheit ist eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Bleibt die Politik hier ähnlich passiv wie in den letzten Jahren, wird sich die Situation auf den Wohnungsmärkten weiter verschlechtern. Dabei ist die Schaffung bezahlbaren Wohnraums weit mehr als eine soziale Frage. Sie ist zwingende Voraussetzung dafür, dass die heimische Wirtschaft endlich wieder an Dynamik gewinnt.
Ein wichtiger Indikator zur Beurteilung der Wohnmarktsituation ist die jeweilige Leerstandsquote. 2011 betrug diese laut dem im entsprechenden Jahr durchgeführten Zensus für Gesamtdeutschland 4,5%. Dieser Wert lag deutlich über dem als „notwendig“ erachteten Leerstand von 3%, der aufgrund von Umzügen, größeren Modernisierungen, Haushaltsauflösungen, usw. praktisch immer auftreten muss. Wird diese Quote unterschritten, wird die Mobilität der Bevölkerung beeinträchtigt. Kinder wohnen dann beispielsweise länger bei ihren Eltern, es bilden sich vermehrt Wohngemeinschaften und hoch qualifizierte Ausländer werden von einem Umzug nach Deutschland abgehalten.
Nach 2011 ist die Zuwanderung in unser Land erheblich angestiegen. Der durchschnittliche Wanderungsgewinn belief sich nach Berechnungen des renommierten Pestel Instituts zwischen 2012 und 2021 auf jährlich 345.000 Personen. Gleichzeitig hat die Bautätigkeit zwar etwas zugenommen, sie erreichte aber nicht die notwendige Größenordnung, um den aufkommenden Wohnungsmangel zu vermeiden.
Es ist unter Experten dann auch unbestritten, dass weite Teile Deutschlands schon 2022 von starker Wohnungsknappheit geprägt waren. Insbesondere in den westdeutschen Metropolregionen hat sich dieser Zustand durch die rückläufige Bautätigkeit – verbunden mit dem nochmaligen Anstieg des Wanderungssaldos in Folge des Ukraine-Kriegs – bis heute weiter verstärkt.
Gleichzeitig ging in strukturschwachen Regionen ein nicht unerheblicher Teil der Wohnungen dem Markt gänzlich verloren, da sich notwendige Sanierungen nicht lohnten oder Investitionen aufgrund fehlender Anreize unterblieben sind. In Zweifamilienhäusern bleibt die zweite Wohnung dann oft leer. Allein für die alten Bundesländer summiert sich das Wohnungsdefizit nach Schätzungen des Pestel Instituts Ende 2024 deshalb auf 1,2 Mio. Einheiten. Auch für die kommenden Jahre sei keine Wende zu erkennen. So liegt die Zahl der Baugenehmigungen im 1. Halbjahr 2025 zwar 2,9% über den Vorjahreswerten, aber immer noch 42% unter der Zahl von 2021.
Auf der anderen Seite gehen die Boomer-Jahrgänge in Rente und die zahlenmäßig schwachen Jahrgänge aus den 2000er Jahren rücken ins Erwerbsleben nach. Ohne Zuwanderung wird der Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung in den kommenden Jahren dadurch bei jährlich rund 400.000 Personen liegen. Deutschland sieht sich nicht nur einem Fachkräfte-, sondern einem allgemeinen Arbeitskräftemangel ausgesetzt. Neben der oft schwierigen Anerkennung der in den Herkunftsländern erworbenen Qualifikationen und von Sprachbarriere ist dafür auch der mangelnde Wohnraum in den wirtschaftlich starken Ballungsräumen verantwortlich. Die Schaffung von Wohnraum ist deshalb nicht nur eine soziale Frage, sondern auch die Voraussetzung für eine positive Wirtschaftsentwicklung Deutschlands.
Um eine nachhaltige Förderung des Neubaus sowie finanzielle und bürokratische Erleichterungen bei der Sanierung aktuell nicht mehr zeitgemäßer Objekte führt somit kein Weg vorbei. Dabei reicht es keinesfalls aus, einzelne Segmente zu fördern. Vielmehr muss der Markt insgesamt stimuliert werden. Gebraucht wird der soziale Wohnungsbau genauso wie der frei finanzierte Mietwohnungsbau und der Wohnungsbau zur Eigentumsbildung. Aus Sicht der Wohnungssuchenden, aber auch aus der von Selbstnutzern und Kapitalanlegern, ist es in diesem Zusammenhang relativ egal, ob konventionell oder seriell gebaut wird – solange es wieder bezahlbar wird. Ein großer Gewinn könnte es hier sein, wenn der Staat seine Vorteile in der Refinanzierung, beispielsweise in Form von zinsverbilligten Darlehen oder mittels Bürgschaften, an den Wohnungsbau weitergeben würde. Förderprogramme, die bei unseren ohnehin sehr hohen Standards an besondere Qualitätsmerkmale anknüpfen, sind in dieser Situation dagegen nicht zielführend. Gleiches gilt für die Beschränkung auf bestimmte Vermögens- und Einkommensklassen. Erforderlich ist es zudem, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für Nachverdichtung und Neubau erhöht wird und Kommunen und Gemeinden die im Rahmen des „Bau-Turbos“ jüngst geschaffenen Möglichkeiten dann auch tatsächlich nutzen.